So gelingen Gespräche auch dann, wenn Ihr Gegenüber wenig kooperativ ist
Kennen Sie das: Sie tragen Ihre Ansicht oder Ihr Anliegen freundlich und sachlich vor, doch Ihr Partner oder Kind blockt ab? Fühlen Sie sich machtlos, wenn Ihr Partner polemisch wird oder Ihr Kind all Ihre Vorschläge mit einem „Du bist gemein!“ quittiert? Sie sind es nicht! Mit der so genannten gewaltfreien Kommunikation (GFK), die der amerikanische Mediator Marshall Rosenberg entwickelt hat, können Sie die Gesprächskultur und das Konfliktmanagement bei sich daheim grundlegend verbessern. Das gilt auch dann,wenn die anderen Familienmitglieder nicht aktiv am Gelingen mitwirken wollen oder können.
Am Anfang steht die Wahrnehmung
Gehen wir von einem konkreten Beispiel aus: Sie kommen müde nach Hause und finden „Chaos im Wohnzimmer“ vor. Damit Sie sich richtig ausdrücken, müssen Sie das, worum es geht, zunächst möglichst genau wahrnehmen. Genau diese Wahrnehmungen sprechen Sie dann auch aus. Anschließend drücken Sie Ihre Gefühle und Ihre damit verbundenen Bedürfnisse aus. Zuletzt äußern Sie eine konkrete Bitte.
Sie wenden sich also für ein erfolgreiches Konfliktmanagement mit etwa folgenden Worten an Ihren Partner beziehungsweise Ihr Kind: „Ich sehe (Wahrnehmung), dass im Sessel Kleidungsstücke von dir liegen und am Fußboden deine Straßenschuhe stehen. Ich bin darüber verärgert (Gefühl), denn ich brauche (Bedürfnis) im Wohnzimmer mehr Ordnung, um mich wohl zu fühlen. Bitte (Bitte) räume deine Sachen an ihren Platz.“
Empathisch aufnehmen
Was aber ist, wenn Ihr Partner Sie abends genervt anfährt: „Verflixt noch mal, hast du schon wieder vergessen, meinen Mantel von der Reinigung zu holen? Du bist einfach chaotisch!“? Jetzt sind Sie gefragt: Bauen Sie im Konfliktmanagement eine Brücke zwischen sich und Ihrem Gegenüber, indem Sie seine Äußerungen „empathisch aufnehmen“. Das bedeutet, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit unabhängig von den Worten, die der andere gewählt hat, darauf richten, was er beobachtet, fühlt, braucht und erbittet. Nehmen Sie die Worte nicht persönlich, sondern seien Sie „ganz Ohr“ für die Kommunikation des anderen.
Dann werden Sie vermutlich „hören“, was hinter dieser Äußerung steckt. Geben Sie das, was Sie gehört haben, mit eigenen Worten wieder, am besten in Frageform: „Bist du verärgert (Gefühl), weil du den Mantel morgen früh nicht anziehen kannst?“ Diese konkrete Wiedergabe in der Kommunikation zeigt Ihrem Partner, dass Sie ihn verstanden haben. Zugleich ermöglicht sie ihm, sich über die eigenen Gefühle und Bedürfnisse besser klar zu werden.
Sollten Sie Ihren Partner missverstanden haben, so ermutigt ihn die Frageform zur Richtigstellung. So hat in unserem Beispiel möglicherweise nicht das Fehlen des Mantels den Ärger verursacht, sondern die enttäuschte Erwartung, dass Sie sich selbstständig um die Belange Ihres Partners kümmern. Kommt so eine Erwartung im weiteren Verlauf zur Sprache, spiegeln Sie auch diese in der Kommunikation wider: „Hast du das Bedürfnis, dir um den Alltagskram gar keine Gedanken machen zu müssen?“
Hindernisse beim Brückenbau
Viele Menschen sind in Gesprächsmustern gefangen, die dem Verständnis und dem Konfliktmanagement geradezu entgegenstehen. Hier einige Beispiele für das, was Sie vermeiden sollten: Angenommen, Ihr Kind beklagt sich über das Verhalten eines Mitschülers. Versuchen Sie nicht, auf der Stelle eine Lösung zu finden, indem Sie einen Ratschlag erteilen oder die Sachlage nach Art eines richterlichen Verhörs klären. Spenden Sie aber auch nicht als Erstes Mitleid oder Trost, reden Sie das Problem nicht klein und lenken Sie nicht ab. Hören Sie stattdessen aktiv zu, sodass sich Ihr Kind verstanden und akzeptiert fühlt.
Seien Sie authentisch
Wichtig: Gewaltfreie Kommunikation ist weit mehr als eine Gesprächstechnik, sie ist eine Haltung gegenüber dem Gesprächspartner. GFK „funktioniert“ daher nicht, wenn Sie die genannten Gesprächsregeln rein mechanisch anwenden. Ihr Partner oder Ihr Kind spürt, ob es Ihnen lediglich um eine schnelle „Lösung“ in Ihrem Sinne geht oder wirklich darum, eine Brücke der Verständigung zwischen Ihnen zu bauen.Wenn Sie also beispielsweise eine Äußerung des anderen in Form einer Frage wiedergeben, dann sollte Sie die Antwort Ihres Gesprächspartners tatsächlich interessieren! Und Ihr „Bitte“-Satz ist nur dann eine echte Bitte, wenn Sie auch ein „Nein“ respektieren können.
Zum Weiterlesen: Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation. Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, Paderborn 2007. ISBN 3-87387-454-7. 21,90 €.