So finden Sie zu Ihren tiefsten Bedürfnissen
Finden, formulieren und erforschen Sie jeden Tag wenigstens einen Ihrer Herzenswünsche. Das ist Martha Becks Ratschlag zur Persönlichkeitsentwicklung und für ein glückliches Leben. Es klingt einfacher, als es ist. Denn seit frühester Kindheit ist unsere Erziehung geprägt von der Grundidee: Du kriegst keinesfalls alles, was du dir wünschst – also gewöhne dir deine Wünsche am besten gleich ganz ab. Viele Erwachsene haben dann den Zugang zu ihren Bedürfnissen ersetzt durch Weisheiten wie „Ich bekomme ja doch nicht, was ich mir wünsche, also gewöhne ich mir das Wünschen ab“.
Das ist eine Art selbstverordnete Schutzimpfung gegen Enttäuschungen: keine Wünsche, kein Unglück, also dadurch Glück. Die Idee klingt clever, aber sie funktioniert nicht. Denn Unglücksvermeidung macht nicht glücklich, im Gegenteil. Die Injektionen gegen das Träumen und Wünschen verursachen chronische Schmerzen. Bei den meisten Menschen ist der Zugang zu ihren Wünschen so blockiert, dass sie sich sogar die dazu gehörenden Gefühle versagen: Begeisterung, Zielstrebigkeit, Ekstase, Sehnsucht.
Wunschlosigkeit macht krank
Die Weigerung, sich seine Wünsche bewusst zu machen, ist letztlich schädlicher und schmerzhafter als die Enttäuschung, sie nicht erfüllt zu bekommen und behindert Sie bei Ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Kurz: Die Impfung ist schlimmer als die Krankheit, vor der sie schützen soll. Doch das sehen die meisten Geimpften nicht, weil sie düsterste Vorstellungen über ihre Wünsche entwickelt haben. Sie sehen sie als Kräfte der Hölle, die keinesfalls freigelassen werden dürfen. Was ist, wenn meine innigsten Wünsche böse sind? Beispiel: Wenn ich meine Frau betrügen, meinen Chef umbringen und mich selbst zu Tode trinken will?
Ihre wahren Wünsche sind niemals böse
Die Antwort auf diese Frage lautet: Jeder absonderliche oder gar kriminelle Wunsch ist die Verkleidung eines lebenswichtigen, legitimen Wunsches Ihres wahren Selbst. Negative Auswirkungen auf Ihre Persönlichkeitsentwicklung hat nicht der Wunsch, sondern seine Unterdrückung. Auch hinter der schlimmsten Sucht verbirgt sich ein höchst vitales und gesundes Anliegen. Das herauszufinden ist allerdings mühsam. Scham, Schuldgefühle und alte Blockaden verstellen den Blick.
Unterdrückung führt zur Selbstzerstörung
Viele glauben, dass durch die Unterdrückung der bösen Wünsche deren zerstörerische Kraft gebannt wird. Aber von jedem Süchtigen lässt sich lernen: So zu tun, als bräuchten sie ihren Stoff nicht, führt nur noch tiefer hinein in die Spirale. Die Freiheit beginnt mit dem Eingeständnis: Ja, ich hänge am Haken. Es ist, als ob ein Tiger bei Ihnen wohnt. Solange Sie so tun, als sei er nicht da, kann er Sie jederzeit hinterrücks angreifen. Erst wenn Sie ihn beobachten und seine Vorlieben kennen, können Sie halbwegs mit ihm zusammenleben und Ihre Persönlichkeitsentwicklung beginnen.
Alle Wünsche hängen zusammen
Ein anderes Bild: Sie haben sich in einem Labyrinth verirrt. Dann finden Sie eine Spur aus Steinen, mit denen jemand vor Ihnen den Ausweg markiert hat. Das sind Ihre großen und kleinen Wünsche. Beginnen Sie bei dem größten Wunsch des heutigen Tages. Egal, wie merkwürdig oder armselig er auch ist – er wird Sie zu Ihren wahren Wünschen führen, wenn Sie beharrlich mit „Warum?“ weiterforschen. Beispiel: Eine Frau wünscht sich einen großen Mann. Warum? Einen, zu dem ich aufsehen kann. Warum? Damit ich nicht alles alleine stemmen muss, sondern mich getragen fühle. Warum? Weil meine Eltern mir einschärften, dass ich als Älteste die Verantwortung trage. Warum ist das so schlimm? Weil mein älterer Bruder bei der Geburt starb. Ich wünschte, er wäre lebendig – da ist er, der wahre Wunsch.
Der wahre Wunsch ist oft unerfüllbar
Als Faustregel kann gelten: Falsche Wünsche schmecken nach Angst; wahre Wünsche schmecken immer nach Liebe. Häufig ist es eine nicht erfüllbare Sehnsucht, Trauer um einen Verstorbenen, Verlangen nach Unmöglichem. Wenn Sie aber nach langer Suche endlich an Ihrem großen echten Wunsch angekommen sind, kann sich Ihre Sehnsucht in Lebenskraft verwandeln. Auch wenn sich der wahre Wunsch nicht erfüllen lässt, er ist Ihre reichste Energiequelle für Glück und Lebensfreude. Aus dem „Ich wünsche …“ wird „Ich werde …“.
Menschen, die diesen Moment erlebt haben, beschreiben ihn als sensationelle Erfahrung: erleichtertes Aufatmen, geschärfte Sinne, innere Kraft. Eine Lösung ist noch nicht in Sicht, aber Sie beginnen, die Perlenschnur Ihrer Wünsche und Träume zu verstehen.
Der wahre Wunsch führt Sie auf neues Terrain
Ihr geschärftes Gespür macht Sie in jeder Beziehung zarter. Sie sind verletzbarer, aber auch offener für neues Glück. Sie brennen danach, die Power Ihres wahren Wunschs nun in die Wirklichkeit umzusetzen. Widerstehen Sie aber der Versuchung nach einer schnellen, bequemen Lösung. Beispiel: Sie haben herausgefunden, dass es Ihr wahrer Wunsch ist, berühmter zu werden als Ihr Vater. Sie beschließen, in Ihrem ungeliebten Beruf Karriere zu machen, weil es der naheliegendste Weg ist.
Damit die neu gewonnene Lebensenergie Sie nicht auf einen falschen Weg lotst, brauchen Sie die Lebenszutat Nr. 4, um die es in der nächsten Ausgabe von simplify your life geht: Kreativität als Zugang zu Ihrem ureigensten, unkonventionellen Weg zum Glück.