Wie schnell wir über Dinge oder Menschen urteilen, stellte ich vergangene Woche fest, als ich begann einen Beitrag von „Humans of New York“ zu lesen. Auf dem Bild ist ein junger Kerl zu sehen im schwarzen Kapuzenshirt, mit zerschlissenen Hosen, die vermutlich irgendwo zwischen Poansatz und Kniekehlen hängen. „Ich möchte mal ein Hämatologe werden“, sagt er im ersten Satz. „Das ist ein Blut-Doktor. (…) ein Doktor, der Heilmittel für Blut-Krankheiten findet.“ Für mich war schon nach dem ersten Satz klar: Ganz bestimmt hat jemand aus seiner Familie eine schwere Erkrankung, und er will helfen. Damit lag ich allerdings total falsch, wie ich beim Weiterlesen feststellen musste! Denn seine Motivation ist eine andere. Es ist sogar die beste, die es gibt, meiner Meinung nach. Denn sie kommt von innen heraus. Das ist seine Geschichte: In der Schule haben sie Frösche seziert und dabei gelernt, wie das Blut durch den Körper fließt. Der Junge ging nach Hause und schrieb in dieser Nacht einen Aufsatz. Das war nicht wie sonst, wenn er einen Aufsatz schrieb. Normalerweise braucht er dazu lange, aber diesmal schrieb er den schnellsten Aufsatz, den er je geschrieben hatte. Am nächsten Tag hat er seiner Lehrerin Löcher in den Bauch gefragt. Sie nahm ihn ernst und sagte sinngemäß: „Du weißt schon, dass es in diesem Gebiet auch Jobs gibt!“ Dann rief sie entsprechende Seiten im Internet auf und zeigte ihm alles über Hämatologen. Großartig! Diese Geschichte hat mich sehr gerührt, weil sie zeigt, wie viel in uns steckt, das wir möglicherweise über viele Jahre nicht bemerken. Sie zeigt auch, wie Lehrer ihren Schülern auf Augenhöhe begegnen und sie ermutigen können. Den Originaltext und das Bild dazu findet ihr hier bei Humans of New York.