Dunja in 30 Jahren: Es ist morgens, 11 Uhr, in Deutschland. Ich habe gerade 2 Stunden an meinem neuen Historienroman geschrieben, als sich vorne unter meinen Füßen ein Brett aufklappt und mein Bürostuhl leicht nach hinten kippt. Mein Kopf wird von einer weichen Stütze aufgefangen. Eine Stimme fordert mich auf, Programm 1 bis 7 auszuwählen. Ich entscheide mich für Nummer 3, die 20-minütige Nackenmassage. Danach verwandelt sich meine Massageliege wieder in einen Bürostuhl. Neben mir gießt ein Automat ein frisches, mit Sauerstoff und einem Schuss Zitronensaft versetztes Glas Wasser ein und sagt: „Bitte trinken Sie aus, nach Ihrer Massage benötigen Sie viel Flüssigkeit!“ Ich schreibe weiter.Am Mittag treffe ich mich mit anderen Dorfbewohnern im Social Café, wo es ein frisches Mittagessen für alle gibt, soziale Kontakte inklusive. Wer kann, beteiligt sich anschließend am halbstündigen Spaziergang. Danach gehe ich wieder an meinen Rechner, falls man die Mini-Ausgabe der einstigen Computer überhaupt so bezeichnen kann, und setze meinen Roman fort. Gegen 17 Uhr entscheide ich mich für die Fußmassage – die nehme ich täglich zum Abschluss –, und der Automat lässt eine kräftige Tasse Tee heraus.Nach dem Abendbrot kommt das Highlight des Tages: Fernsehen. Nachdem ich fast 20 Jahr ohne ein solches Gerät gelebt habe, entschieden sich meine Kinder, mir einen Fitness-Fernsehsessel zu besorgen. Der funktioniert nur mit Fernseher. Ich setze mich hin, lehne mich zurück und schalte die Mattscheibe an. Es erscheinen darauf Informationen zu meinem Blutdruck, der Sauerstoffsättigung meines Bluts, zur Herzfrequenz und zum Körpergewicht. Das interessiert mich nicht sonderlich, ich halte mich für fit und schalte deshalb gleich meine Lieblingsdoku an. Während ich so schaue, entscheidet sich mein Sessel, sich in ein Rudergerät zu verwandeln und mich zum Rudern aufzufordern. Eine Stimme sagt: „Wenn Sie das Trainingsprogramm des Tages starten wollen, drücken Sie bitte auf den grünen Knopf! Wollen Sie trainieren, während Sie weiter Ihr Programm verfolgen, drücken Sie auf den gelben Knopf.“ Ich drücke auf gelb, rudere eine halbe Stunde und schaue nebenbei meine Doku über das Leben, wie es früher einmal war …So einfach kann das Leben im Alter sein, und das schon heute. Wer weiß, wie es in 30 Jahren wirklich um unseren Alltag bestellt ist? Die Technik scheint dazu da zu sein, ihn zu erleichtern. Vermutlich erhalten wir im Jahr 2043 das „volle Programm“, was auch immer das ist. Angeregt wurde meine kleine Reise durch die Meldung, dass das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen aus Erlangen auf der CeBit einen Senioren-Sessel als Fitnesstrainer vorstellt.Von außen betrachtet sieht GEWOS, so heißt das Möbelstück, wie ein handelsüblicher Sessel aus. Auch beim Sitzen spürt man keinen Unterschied. Ein Blick ins Innere offenbart Sensoren, Platinen und allerhand Drähte. Eingebaut in Sitzkissen, Rücken- und Armlehne misst die eingebaute Mikrosystemtechnik kontinuierlich den Gesundheitszustand der sitzenden Person. Via Bluetooth und WLAN landen die Daten über einen im Sessel integrierten Tablet-PC auf dem Fernseher. Mit Hilfe der aufgezeichneten Daten erstellt ein virtueller Gesundheitsassistent auf den Anwender angepasste Trainingspläne und optimiert diese je nach Trainingsfortschritt. Bewegen sich die Werte nicht innerhalb eines vorgegebenen Bereichs, empfiehlt der Gesundheitsassistent beispielsweise mehr Bewegung. Der Sessel verwandelt sich dann in eine Rudermaschine, wie man sie aus dem Fitnessstudio kennt. Die Armlehnen werden dabei zu Rudern und unten klappt eine Stütze für die Füße aus. Einzelne Übungen lassen sich einfach über den Fernseher abrufen.Um die Möglichkeiten des Systems weiter auszubauen, wollen die Wissenschaftler aus Erlangen den Spieltrieb des Menschen nutzen. Die Senioren sollen nicht nur beim Rudern gegen imaginäre Konkurrenten antreten können, sondern auch durch Gedächtnisspiele zum Mitmachen angeregt werden. Zum Beispiel, indem sie sich einzelne Segmente des Sessels merken und diese im Anschluss mit der entsprechenden Körperpartie belasten müssen. Das Training soll die Senioren fit halten und sie befähigen, so lange wie möglich alleine zu leben.Gut, wir sprechen uns in 30 Jahren wieder!