„Momentan habe ich wirklich keine Zeit, mich um meine Rückenschmerzen zu kümmern“, mault Herr Krumm und wirft sich eine Schmerztablette ein. „Warum brauche ausgerechnet ich so viel Schlaf?“, hadert Frau Schlapp, während sie sich übermüdet durch den Tag schleppt. „Ich hasse meine fetten Oberschenkel“, meint Frau Schick und beschließt, sich ab sofort ausschließlich von Gemüse, Obst und Vollkornprodukten zu ernähren. Viele Menschen empfinden ihren Körper nicht als ihren wertvollsten Schatz, sondern als widerspenstiges Tier, das unterworfen werden muss. Sie gewöhnen ihr Körpertier an chronische Schmerzen, gönnen ihm zu wenig Schlaf und Bewegung oder treiben es mit Training oder Diäten an seine Grenzen. Kränkelt das Tier, versuchen sie, es mit medizinischen Brachialmethoden wieder fit zu kriegen. Es ist erstaunlich, wie viel sich dieses Tier gefallen lässt und unter welch extremen Bedingungen es noch funktioniert – Bedingungen, die bei richtigen Tieren wohl längst als Tierquälerei gälten.
Kooperation statt Gewalt
Der als „Pferdeflüsterer“ bekannte Monty Roberts schaute in seiner Kindheit Cowboys bei der Arbeit zu. Er sah, wie die Männer mit Bestrafung, Gewalt und Unterwerfung wilde Mustangs zähmten. Aber Roberts bemerkte, wie die Pferde untereinander in einer feinen Gebärdensprache kommunizierten. Wenn die Menschen diese Sprache erlernen könnten, dachte er sich, müssten die Tiere doch leichter mit den Menschen kooperieren. Daraus entwickelte er eine sehr effiziente Methode, mit der sich auch bockigste Pferde in 30 Minuten auf sanfte Weise führen und reiten ließen. Seine Grundidee lässt sich auf den Umgang mit dem eigenen Körper übertragen: Geben Sie ihm nicht fortwährend Befehle, sondern hören Sie ihm zu, und gehen Sie wertschätzend mit ihm um.
Erkennen Sie Ihr Körperbild
Welches Bild fällt Ihnen zu Ihrem Körper ein? Merken Sie sich den ersten Gedanken, der Ihnen dazu in den Sinn kommt. Ist Ihr Körper ein renovierungsbedürftiges Haus? Ein wildes Tier? Ein Gefängnis? Eine schützende Schale? Es gibt keine richtige Antwort. Aber Ihre Antwort hat Folgen. Was Sie gerade vollzogen haben, geschieht jeden Tag mehrere hundert Mal: Ihr Geist nimmt Kontakt auf mit Ihrem Körper. Möglicherweise hat die Art dieses Kontakts größeren Einfluss auf Ihre Gesundheit als Ernährung, Umwelteinflüsse oder Erbanlagen.
simplify-Tipp: Viele äußere Faktoren nehmen Einfluss darauf, wie Sie Ihren Körper sehen – ob es Ihre Eltern sind, die Sie in Ihrer Kindheit als „Bohnenstange“ bezeichneten, Ihr bester Freund, der konsequent jeden Abend zum Joggen geht, oder die Medien, die jeden Tag makellose Topmodels und aufgestylte Politikergattinnen präsentieren. Je mehr Sie sich dieser Einflüsse bewusst sind, desto besser können Sie sich abgrenzen. Machen Sie sich klar: Eine gute Beziehung zum eigenen Körper haben, ist wesentlich wertvoller, als den Maßstäben anderer zu genügen!
Zeichnen Sie Ihren Körperdialog auf
Beobachten Sie einen Tag lang den Gedankenstrom, den Sie an Ihren Körper senden: „Ich bin zu dick!“ – „Ich hasse meine Schnupfennase!“ – „Diese hässlichen Augenfalten lassen mich wirklich alt aussehen!“ Stellen Sie einen Zettel vor sich auf, um sich während des Tages daran zu erinnern: „Was sage ich zu meinem Körper?“ Sie werden staunen, wie viele destruktive Botschaften dabei sind.
simplify-Tipp: Sagen Sie nichts zu Ihrem Körper, was Sie nicht auch zu einem guten Freund, einer guten Freundin sagen würden. Bringen Sie sich mit einem energischen „Stopp!“ zum Schweigen, wenn Sie kurz davor sind, ihm eine unbarmherzige Anweisung zu erteilen.
Schalten Sie um auf Hören
Machen Sie es wie der Pferdeflüsterer: Hören Sie zunächst zu, was Ihr Körper Ihnen mitteilen möchte. Vielleicht gähnt er und sagt damit leise „Ich will schlafen“, wenn Sie sich abends vor den Fernseher setzen. Oder die unangenehmen Blähungen während des Nachmittags bitten Sie darum, das Mittagessen nicht mehr in 10 Minuten in sich hinein zu schlingen. Oder es melden sich Ihre schmerzenden Füße, die Sie heute viel zu lange in unbequemen Schuhen haben stehen lassen.
simplify-Tipp: Jede Beziehung beruht auf wechselseitigem Geben und Nehmen. Wischen Sie die Bedürfnisse Ihres Körpers nicht beiseite. Angesichts dessen, was er Ihnen tagtäglich gibt, sind seine Bedürfnisse ausgesprochen bescheiden.
Zeigen Sie Ihr Interesse
Wussten Sie, dass Ihr Körper in jeder Sekunde circa 50 Millionen neue Zellen produziert? Dass Ihr Darm im Laufe Ihres Lebens rund 30 Tonnen fester Nahrung verdauen wird? Dass ein gesunder Oberschenkelknochen so viel Belastung aushält wie eine Anhängerstange, die einen 6-Meter-Camper zieht? Erkunden Sie das Funktionieren Ihres Körpers. Je mehr Sie darüber wissen, umso mehr werden Sie darüber staunen und gut zu Ihrem Körper sein.
simplify-Tipp: Mittlerweile gibt es viele DVDs rund ums Thema „Körper“, die kein Lehrbuchwissen vermitteln, sondern unterhaltsam und faszinierend zugleich sind (z. B. die BBC-Produktion „Der menschliche Körper“).
Drücken Sie Ihre Wertschätzung aus
Sagen Sie Ihrem Körper, was Sie ihm alles verdanken, auch wenn er Ihnen noch so lahm vorkommen mag: Ihre Arme, deren schlaffe Haut Sie vielleicht stört, können wunderbar Ihr Auto lenken, verknotete Schnüre entwirren und Ihre Lieben umarmen. Ihre Nase, immer wieder verstopft oder durch Allergien beeinträchtigt, vermittelt Ihnen beim Essen großartigsten Genuss.
simplify-Tipp: Loben und ermutigen Sie Ihren Körper, wie Sie es mit einem Pferd beim Ausritt in unwegsamem Gelände machen würden: „Gut gemacht, Arm!“ „Gleich ist’s geschafft, Beine!“
Kommen Sie mit Ihrem Körper ins Reine
Wenn ein Körperteil ganz besonders wehtut (Rücken, Kopf usw.), sodass Sie es fast schon hassen, behandeln Sie es wie einen Menschen, den Sie ganz besonders lieben. Das ist am Anfang schwer, doch der Effekt ist dramatisch. In Schmerzseminaren kommt es vor, dass Patienten bei dieser Übung weinen, weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben Liebe empfinden für das betreffende Organ.
simplify-Tipp: Der gleiche Effekt kann Ihnen auch dabei helfen, Rauchen, übermäßigen Alkoholgenuss oder ungesundes Essen aufzugeben. Liebkosen Sie Ihre vom Tabakqualm gequälte Lunge, Ihren vom Alkohol vergifteten Blutkreislauf oder den Fettring um Ihren Bauch, auch wenn sich alles in Ihnen dagegen sperrt. Hören Sie, wie diese Organe seufzen. Erlösen Sie sie endlich!
Geben Sie Ihrem Fluchttier Sicherheit
Pferde sind furchtsame Tiere. Die wichtigste Aufgabe des Pferdeflüsterers ist es, dem Pferd das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Wie das Pferd ist auch der Mensch ein Fluchttier. Die wenigsten Gefahren in der wilden Urzeit konnte er durch Angriff meistern, und so durchzieht unseren Körper auch mitten in der behüteten Zivilisation eine elementare Angst: vor körperlichen Schmerzen, vor Ablehnung durch andere, vor intellektuellem Versagen. Zugleich erleben wir Momente völliger Geborgenheit und Angstfreiheit.
simplify-Tipp: Schreiben Sie in einer ruhigen Minute eine Liste mit Momenten der Wonne und Seligkeit. Haben Sie die Gelegenheit zu Tagträumen (in Wartezeiten, bei mechanischen Tätigkeiten, morgens und abends im Bett), rufen Sie sich diese Momente möglichst intensiv in Erinnerung. Dann können Sie auch bei drohender Gefahr leichter darauf zurückgreifen.
Bringen Sie Ihren Körper auf Trab
Sind Sie in gutem Kontakt mit Ihrem inneren Tier, will Ihr Körper nicht einfach in Ruhe gelassen werden, sondern er brennt wie ein Rennpferd darauf, etwas für Sie zu tun.
simplify-Tipp: Fordern und fördern Sie Ihren Körper auf den Gebieten, auf denen er besonders gut ist. Es muss nicht jeder ein Jogger werden. Auch indem Sie Geige spielen, Ihren Garten pflegen, Decken quilten, tischlern oder sich in chinesischem Schattenboxen üben, verlangen Sie Ihrem Körper in guter Weise etwas ab.